Nichts ist mehr so wie früher. Nur wer seine Kanzlei „controllt“ wird wettbewerbsfähig sein (werden).
Der Kanzlei-Inhaber arbeite besser an seiner Kanzlei und nicht in seiner Kanzlei. Nur so ist gewährleistet, dass seine Kanzlei wirtschaftlich arbeitet und die Mitarbeiter optimal eingesetzt sind.
In der Vergangenheit wurden anhand statistischer Erhebungen bei einer repräsentativen Stichprobe von Steuerkanzleien bestimmte Kennzahlen ermittelt, die sich primär an den Umsatzfaktoren für die jeweilige Sachbearbeitung und den zugordneten Mitarbeitern orientieren. Basis bildet dabei das jeweilige Bruttomonatsgehalt des Mitarbeiters ohne Arbeitgeberanteil. Dem jeweiligen Mitarbeiter kann je nach Aufgabenbereich ein individueller Umsatzfaktor zugeteilt werden oder man fasst Mitarbeiter der gleichen Sachbearbeitung als Team zu, bildet dann ein Durchschnittsbruttogehalt und verwendet einen einheitlichen Umsatzfaktor auf dieses oder auf das Gesamtbrutto des jeweiligen TEAMS (LOBU, FIBU, JA/Steuern).
Fibu Sachbearbeiter sollten den Umsatzfaktor 2, Abschluss-Sachbearbeiter den Umsatzfaktor 3, Lohn-Sachbearbeiter den Faktor 3,5 und Einkommensteuer-Sachbearbeiter der Faktor 4,5 seines jeweiligen Bruttogehalts (ohne Arbeitgeberanteile) erreichen. Inwieweit diese Umsatzfaktoren, auch KPI (Key Performance Indikators) genannt, auf die individuellen Gegebenheiten einer Steuerkanzlei zutreffen, oder angepasst werden müssen, kann anhand einfacher Plausibilisierungsberechnungen überprüft werden.
Diese Plausibilisierungsberechnungen basieren auf einer von mir entwickelten ERP Datenbank und dem Einsatz heuristischer Methoden zur Bestimmung der notwendigen Bearbeitungszeiten je Arbeitsauftrag und Mitarbeiter. Dies hier inhaltlich zu vertiefen, würde den Rahmen dieses BLOG Beitrags sprengen.
Wenn man aber eine erste grobe Zielvorgabe für seine Kanzlei haben möchte, bevor man genau rechnet, ist als pragmatische Vorablösung auch ein Umsatzfaktor von 3 vertretbar, der auf alle Mitarbeiter einheitlich angewendet werden kann. Wichtig dabei ist, dass man bei Mitarbeitern, die in der Kanzleiorganisation eingebunden sind und nicht rein produktiv sind, das Bruttogehalt entsprechend anteilig reduziert und auf das reduzierte Bruttogehalt dann den Umsatzfaktor anwendet.
Steuerkanzleien in der Größenordnung ab 5 Mitarbeiter (Vollzeit-Basis), in denen der Steuerberater selbst Umsätze in Form der Erledigung von Standardaufgaben (Jahresabschlüsse, Steuererklärungen) erzeugt, sind generell unwirtschaftlich in Bezug auf den effektiven Einsatz der Mitarbeiter, vorausgesetzt, dass das Honorargefüge als normal bezeichnet werden kann und nicht im Low Level Bereich angesiedelt ist.
Nicht selten treffe ich Steuerberater, die keine Zeit für Beratung haben, weil sie bei der Erstellung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen selbst Hand anlegen müssen.
Das liegt daran, dass sie ihre Mitarbeiter nicht zielorientiert führen können und die Erledigung der Mandantenaufträge im Wesentlichen den Mitarbeitern und nicht selten dem Zufall überlassen, ohne Bearbeitungszeiten vorzugeben und Zeitfenster zu setzen. Das führt nicht selten dazu, dass sich in einer Steuerkanzlei ein gewisser schleichender SCHLENDRIAN breitmacht, den man oft erst zu spät wahrnimmt. Unkoordinierte Auftragsvorbereitung, fragmentierte Unterlagen-Beschaffungs-Prozesse und der Blick in den Rückspiegel („Schau mal, wie das im Vorjahr gemacht wurde und wie lange das da gedauert hat.“) können keine Basis für eine effektive Ressourcenplanung und ein Ressourcen-Management sein.
Die beschreieben Kanzlei läuft zwar, der Steuerberater und Inhaber der Kanzlei arbeitet fleißig 60 – 80 Stunden pro Woche, ist aber dauerhaft gestresst und genervt, arbeitet nur noch „in seiner Kanzlei“, Privatleben ist gestrichen, die Familie leidet und Zeit für qualifizierte Beratung am Mandanten bleibt kaum. Das Risiko von Beraterfehlern steigt indessen parallel an.
Steuerkanzleien, die sich in einem solchen Umfeld befinden, wachsen in der Regel nicht mehr, weil entweder keine Zeit für Akquise bleibt oder bewusst keine Neumandate gewollt sind.
Langfristige Folge: Die Kanzlei wird mehr und mehr unrentabel, die Mandantenstruktur ist veraltet, wegbrechende Mandate werden wegen der Kanzlei weit „gefühlten“ Überlastung, aufgrund der Verweigerung von Neuzugängen nicht mehr kompensiert. Die Altersstruktur der Mitarbeiter folgt auch dem allgemeinen negativen Selbstauflösungs-Trend in einer solchen Kanzlei. Und im Übrigen wird es schwer bis unmöglich werden, dass ein Berufskollege mit dem Verlauf seiner Kanzlei seine Altersversorgung planen kann. Wer kauft schon eine solche aus der Mode gewordene Steuerkanzlei im Umfeld der digitalen Wirtschaft und der Dynamik der Veränderungen, auch im Bereich der Steuerberatung.
Junge und moderne, Technik affine neue Mitarbeiter machen auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung um solche Kanzleien einen großen Bogen.
Bereinigt man das betriebswirtschaftliche Ergebnis einer solchen Kanzlei, indem man einen kalkulatorischen Unternehmerlohn berücksichtigt und den Umsatz des Steuerberaters mit einbezieht, kommen in der Regel schlechte Performance Werte zum Vorschein. Die Zielvorgabe von 30 – 40 % Umsatzrendite (Optimum) ist mit einer solchen Kanzlei nicht zu erzielen, allenfalls eine bereinigte Rendite von ca. 20-25%, und nur dieser Ertrag wird tatsächlich von den Mitarbeitern erwirtschaftet, den Rest erledigt der „gefesselte“ Berufskollege.
Grundsätzlich ist es nicht zu empfehlen, seine Steuerkanzlei pauschal nur mit Umsatzfaktoren zu führen. Das löst das Gesamtproblem allenfalls kurzfristig. Viel wichtiger ist es, bevor man valide Umatzfaktoren festlegt, die gesamten Arbeits-Prozesse der Kanzlei auf den Prüfstand zu stellen und hinsichtlich des Einsatzes der Ressourcen Personal und Zeit zu checken.
Dabei ist es wichtig, die effektiven produktiven und somit weiter berechenbaren Stunden je Mitarbeiter zu ermitteln und diese Werte als Basis für ein effektives Ressourcen-Management zu verwenden. Hinzu kommen die realistischen Zeitvorgaben je Mandant und Auftrag und eine Deckungsbeitragsrechnung für das jeweilige Mandat, um von vorne herein Mandate zu identifizieren, die sich nicht rechnen.
Von diesen Mandaten sollte man sich tunlichst trennen, wenn es nicht gelingt, das Honorar zu erhöhen (unter der Voraussetzung, dass man effektive Zeitvorgaben zugrunde legt und moderne Techniken der Auftragsbearbeitung, wie z.B. die digitale Buchhaltung, einsetzt.). Ein Mandant, der bereit ist, für effektive Arbeitsprozesse ein angemessenes Honorar zu bezahlen, sollte denen vorgezogen werden, die nur „billig“ möchten und die das Verhältnis zum eigenen Steuerberater eher als „staatlich bedingte Zwangsehe“ sehen. Letztere Klientel ist chronisch unzufrieden und schadet auch der Reputation der Kanzlei. Für solche Auffangposten gibt s immer noch genug Kollegen, die nichts dazu lernen wollen oder aber einfache Buchhaltungs-Büros mit Low Level Leistungen.
Wir in unserer Kanzlei hofmann & partner haben unser Kanzlei-Management mit einem affektiven Kanzlei Controlling angereichert und eigene Lösungen für die Steuerung und Kontrolle der Arbeitsprozesse und der Deckungsbeiträge entwickelt, unabhängig davon, dass wir zweifach zertifiziert sind.
Weder die Datev, noch Addison (Wolters Kluwer) oder AGENDA können eine Ressourcen-Management-Lösung bieten.
Unsere anfängliche Skepsis gegenüber einer externen Lösung wich sehr schnell der Begeisterung beim Einsatz des Tools TTS. Mitarbeiter planen nach bestimmten Vorgaben ihre Mandantenaufträge selbständig und SMART. Unterauslastungen werden sofort erkannt, ebenso Überlastungen. Früher benötigten wir hierfür durch Zugriff aus verschiedene kleinteilige Einzelauswertungen zu viel Zeit. Das war alles zu starr und nicht interaktiv.
Autor dieses BLOG Beitrags: Dr. Rainer Schenk (Steuerberater)
www.businessplan-hilfe.org