Dienstleistungsbetriebe und dazu gehören auch die Steuerberater bauen ihre Kalkulation auf Stundensätzen auf. Die Höhe des Stundensatzes hat in erster Linie Einfluss auf die Honorarhöhe des jeweiligen Auftrages, aber auch auf andere unternehmerische Entscheidungen.
Alleine die Tatsache, dass bei der Abrechnung von Aufträgen gegenüber dem Mandanten das Gebührenrecht zur Anwendung kommt, ist keine Gewähr dafür, dass eine Steuerkanzlei effektiv bzw. produktiv über alle Bereiche hinweg arbeitet.
Die Ermittlung des für eine Steuerkanzlei individuell zutreffenden Stundensatzes ist daher von großer Bedeutung, wenn man als Kanzleiinhaber seine Kanzlei nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten führen möchte.
Ein falsch ermittelter bzw. zu hoher Stundensatz treibt die Honorare für die jeweiligen Aufträge nach oben und kann dazu führen, dass man im direkten Vergleich mit seinen Wettbewerbern Mandanten verliert oder keine neuen Mandanten hinzugewinnt.
Gerade in Zeiten der Digitalisierung und des Internets ist es für einen Mandanten oder zukünftigen Mandanten ohne weiteres möglich, anhand der zahlreich online Plattformen und online Tools Honorare vorausberechnen zu lassen und zudem deren Zustandekommen verstehen zu können. Der Steuerberater ist mehr denn je Honorardiskussionen ausgesetzt. Höhere Preise bzw. Honorare, als der Markt diese anbietet kann man als Steuerberater nur dann durchsetzen, wenn man Alleinstellungsmerkmale bietet.
Die Masse der Steuerkanzleien wird aber nicht über (ein) Alleinstellungsmerkmal(e) verfügen.
Dessen sollte man sich bewusst sein, auch vor dem Hintergrund, dass zukünftig die Treue des Mandanten in der Zwangsehe mit seinem Steuerberaterdurchaus bröckeln kann.
Eine Garantie für nachhaltige Erträge, wie man sie in der Vergangenheit erzielt hat, wird es mittelfristig nicht mehr geben. Auf der anderen Seite kann natürlich ein zu niedriger Stundensatz dazu führen, dass der Steuerberater zwar seine Leistungen verkaufen wird aber durch die Fehlkalkulation seine Gesamtkosten inklusive Gewinn nicht gedeckt werden.
Die richtigen Stundensätze zu verwenden ist die Basis für die Zukunft einer Steuerkanzlei.
Dreh- und Angelpunkt für die Ermittlung der Stundensätze ist zunächst die Berechnung der Brutto-Stundenzahl pro Jahr und pro Mitarbeiter. Davon ausgehend gelangt man unter Berücksichtigung der unproduktiven Zeiten zur Netto-Arbeitszeit je Mitarbeiter.
Bei der Ermittlung der produktiven Stundenzahl sind folgende Schritte zu beachten:
Von den Kalendertagen eines Jahres werden die Wochenenden, Feier-, Urlaubs- und andere Fehltage (zum Beispiel für Krankheit oder Fortbildung) abgezogen. Die verbleibenden Tage werden dann mit den für die Kanzlei möglichen Arbeitsstunden pro Tag multipliziert. Von den sich dann ergebenden Bruttoarbeitszeiten pro Jahr müssen die unproduktiven Zeiten abgezogen werden.
Unproduktive Zeiten beinhalten unter anderem Zeiten, in denen ein Mitarbeiter nicht für Mandanten im engeren Sinn tätig ist. Typische unproduktive Tätigkeiten sind allgemeine administrative Aufgaben, Reklamationsbearbeitung, Akquise und sonstige Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Kanzleiorganisation bis hin zur Ausbildung von Auszubildenden.
Mit welchem Wert sollte man nun in die Berechnung der unproduktiven Zeiten gehen?
Da jeder Mitarbeiter prinzipiell unproduktive Tätigkeiten erledigt, sollte folglich auch für jeden Mitarbeiter ein entsprechender Wert angesetzt werden. Generell gibt es hier zwei Optionen:
Sofern die jeweilige Kanzlei Software (DATEV, Agenda, Addison, cs:Plus) es ermöglicht, aus der Leistungserfassung heraus entsprechende statistische Werte für den Ansatz unproduktiver Zeiten von Mitarbeitern zu ermitteln, sollten diese natürlich bei der Berechnung berücksichtigt werden.
Im Sinne einer weniger aufwendigen und schnelleren Gesamtkalkulation ist es meines Erachtens aber ausreichend, zunächst einen einheitlichen pauschalen Wert für den Anteil unproduktiver Zeiten anzusetzen.
Als Schätzwert für unproduktive Zeiten sollte man aber nicht merklich unter eine Quote von 30 % gehen. Die Praxis zeigt, dass der unproduktive Anteil im Alltag einer Steuerkanzlei mitunter sogar noch höher liegt, je nachdem ob und in welchem Umfang zum Beispiel Mitarbeiter zusätzlich dispositiv tätig werden.
Im Schnitt bedeutet dies aber auch, dass bei einem Arbeitstag von normalerweise 8 Stunden nur noch maximal 5,5 Stunden direkt gegenüber Mandanten abgerechnet werden können.
Nach Ablauf eines Jahres ist es dann angebracht, den bisherigen Schätzwert auf Basis etwaiger Stichproben oder der erfolgten Leistungserfassung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Ich habe aktuell die Stundensätze am Beispiel einer mittleren Steuerkanzlei einer Nachkalkulation unterzogen. Der Kanzleiinhaber war sich hinsichtlich der Höhe seines verwendeten Stundensatzes unsicher und wollte seine bereits Jahre zurückliegenden Kalkulation einer Revision unterziehen.
Die Vorgehensweise war dabei wie folgt:
Für eine 40 Stunden Steuerfachkraft, die einen 30%-igen Abschlag für unproduktive Tätigkeiten zugerechnet bekommt ergaben sich beispielsweise 1.238 produktive Stunden pro Jahr. In der Summe aller VZB Mitarbeiter (12 VZB) wurden dann 14.856 produktive Stunden ermittelt.
Kosten der Höhe und dem Grunde nach verteilen
Im weiteren Verlauf der Kalkulation wurden die normalen Kosten nach Kostenarten auf Monats- und Jahresbasis ermittelt. Es macht durchaus Sinn, in diesem Rechenschritt kalkulatorische Kosten für Miete, Abschreibungen, Zinsen und Unternehmerlohn zu berücksichtigen.
So ergeben sich beispielsweise jährliche Kosten inkl. kalkulatorischer Kosten in Höhe von 800.000 Euro (als kalkulatorischer Unternehmerlohn wurden 80.000 Euro berücksichtigt). Wird diesem Wert dann noch ein Plan Gewinn in Höhe von 150.000 Euro zugeschlagen, gelangt man zu einem Wert von 950.000 Euro.
Diese Bemessungsgrundlage in Höhe von 950.000 Euro wurde anschließend durch die Gesamtzahl der produktiven Stunden eines Jahres dividiert (in diesem Fall 14.856 Stunden).
Das Ergebnis zeigt den Stundensatz je produktive Stunde (dem Mandanten direkt weiterberechenbar).
In unserem Beispiel liegt dieser Stundensatz bei netto 64 Euro.
Auf Basis des Stundensatzes von 64 Euro konnte in einem weiteren Schritt jedem Mitarbeiter sein Zielumsatz berechnet werden, den er monatlich und jährlich im Rahmen seiner Auftragsbearbeitung erzielen sollte.
Der Wert ist das Produkt aus produktiven Stunden und dem Stundensatz von 64, — Euro.
Dividiert man nun den Zielumsatz je Mitarbeiter durch sein Monatsbruttogehalt ergibt dies den Umsatzfaktor je Mitarbeiter als weiteren Indikator der Leistungsmessung. Der Basiswert, also das Monatsbruttogehalt bei den Mitarbeitern, musste für die Mitarbeiter prozentual gekürzt werden, bei denen über die 30% hinaus ein weiterer Abschlag für unproduktive Zeiten vorzunehmen war.
Zielwert Umsatzfaktor als Vergleich und zur Plausibilisierung
Der Zielwert für den Ansatz eines Umsatzfaktors (als möglicher KPI Key Performance Indicator) sollte 3 sein.
Würde beispielsweise das Monats Brutto eines Mitarbeiters bei 3.000 Euro liegen und dieser Mitarbeiter wäre mit keinen weiteren Abschlägen als dem 30%-igen allgemeinen Abschlag für unproduktive Tätigkeiten belastet, ergäbe sich ein monatlicher Zielumsatz von 9.000 Euro netto. Die Summe über alle Monats Brutto Beträge multipliziert mit dem Umsatzfaktor 3 sollte dann den Zielumsatz pro Monat ergeben. Über 12 Monate hochgerechnet ergäbe sich demnach der Zielumsatz pro Jahr der Kanzlei.
An dieser Stelle erfährt jedoch das Kalkulationsschema einen Bruch, weil nunmehr das Tragfähigkeitsprinzip eine Rolle spielt.
Bei gleichem Umsatzfaktor in Höhe von 3 ergibt sich je nach Gehalt des einzelnen Mitarbeiters ein individueller Zielumsatz. Bei Beachtung des Tragfähigkeitsprinzips wäre demnach ein einheitlicher Stundensatz nicht die Lösung, sondern vielmehr ein gewichteter Stundensatz jeweils in Abhängigkeit vom Bruttogehalt des einzelnen Mitarbeiters.
In der Praxis bietet sich zumindest nach den ersten Erfahrungen im Umgang mit der eigenen Kanzleikalkulation das Arbeiten mit gewichteten Stundensätzen an. Damit würde man auch dem Umstand Rechnung tragen, dass Mitarbeiter mit höherem Gehältern auch höherwertigere Aufgaben erledigen.
Das Honorar für solch höherwertigere Aufgaben (Jahresabschlusserstellung, betriebswirtschaftliche Beratung, Sonderberatungen) fällt in der Regel bereits auf Basis des Gebührenrechts höher aus und der Mandant verhält sich hier weniger „Preis avers“ als bei den leicht substituierbaren Standardaufgaben wie Finanzbuchhaltung und Lohnbuchhaltung. Für höherwertigere Aufgaben sind somit in der Regel auch höhere Stundensätze durchsetzbar, als dies für die restlichen Aufgaben der Fall ist. Nicht selten ist erst über die Quersubventionierung (Mischkalkulation) eines Gesamtmandats das Mandat insgesamt tragfähig.
In dem Beispielsfall der Kanzlei, die beraten wurde, sind auf Basis des zugrundeliegenden Tragfähigkeitsprinzips folgende Stundensätze im IST erzielt worden.
Finanzbuchhaltung: 59 Euro
Lohnbuchhaltung: 65 Euro
Jahresabschlusserstellung 119 Euro
Steuererklärungen 108 Euro
Der zugrundeliegende Mittel-Stundenverrechnungssatz beläuft sich dabei auf 64 Euro (einfacher Mittelwert aus Gesamthonoraren über alle Bereiche dividiert durch die gesamten Bearbeitungszeiten in Stunden), wobei dieser Wert nicht das gewogene arithmetische Mittel darstellt.
Ressourcen Management zusätzlich erforderlich!
Die Ermittlung des richtigen Stundensatzes ist nur eine Seite der Medaille.
Der Stundensatz sagt nichts aus über die tatsächliche Effektivität oder Produktivität des jeweiligen Mitarbeiters und Arbeitsprozesses aus. Auch wenn man annimmt, dass der Anteil der produktiven Arbeiten zutreffend ermittelt wurde, besteht in Bezug auf den verbleibenden Teil, nämlich die produktiven Stunden, die Gefahr, dass Aufträge für den jeweiligen Mandanten nicht effektiv bearbeitet und erledigt werden.
Möchte man seine Steuerkanzlei nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten führen, setzt dies neben der zutreffenden Kalkulation des Stundensatzes ein adäquates und einfach zu handhabendes Ressourcen Management (RM) voraus.
Nur so kann man mit einem hohen Maß an Planungssicherheit erreichen, dass jeder Mitarbeiter nach seinen persönlichen Fähigkeiten (Skill Management) eingesetzt wird und die Mandanten über alle Aufträge hinweg auch den passenden Mitarbeitern zugeordnet werden.
Eine Ressourcenplanung ohne eine entsprechende Software, die den Planungsprozess weitestgehend vereinfacht und automatisiert ist sehr aufwendig und macht das Planen ab einem bestimmten Grad zum Selbstzweck.
Mit einer Ressourcen Management Software (RM) ist es zudem möglich, dass jeder Mitarbeiter die ihm zugeteilten Aufträge selbständig zeitlich plant, um weder unterausgelastet noch überlastet zu sein. Kleinste Planungseinheit zur Überprüfung des Auslastungsgrads sollte dabei der Monat sein. Die Zeitvorgaben je Auftrag und Mandanten ergeben sich aus den Bearbeitungszeiten der Vergangenheit, die natürlich um Lerneffekte, außergewöhnliche Effekte und Größenentwicklung des Mandanten-Unternehmens bereinigt werden müssen. Anderenfalls würde man bei vorhandener Ineffizienz Schlendrian mit Schlendrian vergleichen (vgl. Schmalenbach).
Durch den Einsatz des Ressourcen Management Tools TTS Tax Time Solutions ist es auf einfach Art und Weise eine zweckmäßige Ressourcenplanung und Ressourcensteuerung in einer typischen Steuerkanzlei durchzuführen.
Autor dieses BLOG Beitrags:
Diplom-Kaufmann Univ. Dr. Rainer Schenk, PhD.
(Steuerberater mit eigener Spezial-Kanzlei und Gast Professor für innovatives Finanzmanagement/FinTech an der LPNU, Dep. Administrative and Financial Management).